Samstag, 21 Dezember 2024

Ökumene in Seckenheim

Die ökumenische Bewegung (von Ökumene, griech. oikoumene, „Erdkreis, die ganze bewohnte Erde“) ist eine Bewegung von Christen, die eine weltweite Einigung und Zusammenarbeit der verschiedenen christlichen Kirchen anstrebt.

Simultankirche

Um 1470 wurde das romanische Seckenheimer Kirchlein durch einen gotischen Neubau ersetzt. Diese zweite Kirche wechselte mehrfach die Konfession, bevor sie 1650 an die Kurpfalz angegliedert und bis 1869 als Simultankirche für Protestanten und Katholiken genutzt wurde. Zu einer wirklichen ökumenischen Zusammenarbeit kam es in den 219 Jahren aber nicht.
Mit dem Bau der evangelischen Erlöserkirche 1869 endete die Nutzung der Kirche durch die Protestanten.

Ökumene nach dem 2. Weltkrieg

Die Jugend als Wegbereiter
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begannen Seckenheims christliche Gemeinden aufeinander zuzugehen. Wegbereiter für die Ökumene am Ort waren die Jugendorganisationen beider Kirchen. Es gab eine katholisch-evangelische Film-Arbeitsgemeinschaft, gegründet 1959 von Kinobesitzer Fred Löffel, Vikar Bußmann und Kaplan Scholz. Im Helvetia-Kino wurden monatlich Filme mit dem Prädikat:“ Besonders wertvoll“ gezeigt.
Aus der Begeisterung über diese Veranstaltungen entstanden weitere gemeinsame Aktivitäten. So wurde 1962 ein von Alfred Heierling inszeniertes Schauspiel mit dem Namen: “Das brotlose Mahl“ aufgeführt. Es erinnerte an den 500. Jahrestag der Schlacht bei Seckenheim und das Ensemble bestand aus Mitgliedern der kath. und ev. Jugend.
Das erste ökumenische Jugendseminar fand 1965 in Löhrbach unter der Leitung von Vikar Hans-Frieder Lehmann und Alfred Heierling statt.
Ein Jahr danach, 1966, gab es eine gemeinsame Podiumsdiskussion mit dem Thema: "Ist die Oder-Neiße-Grenze de facto schon anerkannt?" in St. Agnes.

Die Jugend macht weiter
In den 60er und 70er Jahren führten Kinder und Jugendliche die ökumenische Arbeit weiter fort. Regelmäßig fanden gegenseitige Besuche von Gruppenstunden, gemeinsame Jugendgottesdienste, Jugendkreuzwege und Ferienfreizeiten statt. Auch wurden „Beatparties“ im Keller von St. Agnes organisiert, bei denen die damals angesagten Gruppen (Roadrunners, Bluesbrothers, Elvis und die Rockbeats u. a.) auftraten.
Es gab auch eine Gruppenleiterkooperation (Reinhard Mühlberger, Ursel Heyduk, Otto Schmidt, Meinrad Blümmel).
Die offene Jugendarbeit war ebenfalls immer ökumenische Arbeit. Sowohl im Club 2000v.Chr. unter Otto Schmidt im Keller von St. Agnes als auch im „Treff“ im Jugendheim unter Frank Gallus, Gerd Feuerstein u.a., die später auch aktiv an der Gründung des EXILS (Offener ev. Jugendtreff) beteiligt waren.

Erwachsene finden: Die Zeit ist noch nicht reif
Die Erwachsenen hingegen hatten mit ökumenischer Zusammenarbeit noch Probleme.
Es fand zwar ein Gesprächsabend mit den Geistlichen beider Konfessionen (Stadtpfarrer Franz Völker und Stadtpfarrer Herman John) statt, bei dem man zu dem Entschluss kam, im Januar 1968 zu einem gemeinsamen Gebetsgottesdienst einzuladen. Aber leider kam es dazu nicht, denn der Ältestenkreis der Erlöserkirche fand die Zeit noch nicht reif dafür.
Im Anschluss an die Absage startete die evangelische Jugend, unterstützt durch die kath. Jugend eine Unterschriftenaktion unter dem Thema: “Einheit nicht zerreden-lieber darum beten“, bei der bereits am 27. Januar 800 Unterschriften gesammelt wurden.
Seckenheimer Stadträte fast aller Fraktionen unterstützten die Aktion der Jugend und kündigten an, dass sie einen gemeinsamen Gottesdienst nicht nur unterstützen, sondern auch besuchen würden.
Am 8.März 1968 fand dann nach weiteren Angriffen, kontrovers geführten Diskussionen, aber auch zielführenden Gesprächen der ökumenische Gebetsgottesdienst in der Erlöserkirche statt, den die Jugend gestalten durfte.
Kaplan Schmutz und Vikar Staudt stellten die Besinnung unter das Leitwort: „Gemeinsam leben-getrennt glauben“. Die musikalische Umrahmung lag in den Händen von Theo Schmitt mit dem Singkreis und dem evangelischen Organisten Schemmel.

Die Gründung des Ökumenischen Arbeitskreises

Nach der positiven Erfahrung dieses Gottesdienstes gründeten 40 Vertreter beider Konfessionen am 22. März den ökumenischen Arbeitskreis. Die Versammlung beschloss, sich einmal im Monat zu treffen und dabei das Werk von Lamarque: „Der Einheit entgegen“ zu bearbeiten. Zur Leitung des Ökumenischen Arbeitskreises wurden Inge Stahl, Gerhard Ulbrich und Dr. Rudi Herdt berufen.
Sie sollten neben den Vorbereitungen der Diskussionsabende auch die organisatorische Arbeit übernehmen.
Leider kam die Arbeit 1975 zum Erliegen. Dr. Herdt trat als Vorsitzender zurück, weil die vom Arbeitskreis angestrebte ökumenische Sozialstation am Veto der katholischen Kirchenbehörden gescheitert war.
Erst im Mai 1984 konnte der Ökumenische Arbeitskreis unter der Leitung von Wolfgang Sichler und Jürgen Kraft seine Arbeit erneut aufnehmen. Es gab wieder vielfältige ökumenische Begegnungen, den Gottesdienst für die Einheit der Christen ebenso wie den Weltgebetstag der Frauen, die gemeinsam vorbereitet wurden und anschließend die Möglichkeit zu Begegnung und Gesprächen anboten.
Die Kirchenchöre beteiligten sich an Gottesdiensten und an Veranstaltungen auch der anderen Gemeinde, ebenso der Posaunenchor und der Singkreis.
Die ökumenische Bibelwoche im Januar/Februar wurde zur Selbstverständlichkeit , wobei die kath. Christen immer mehr zu einer „tragenden Säule“ geworden sind.
Gemeinsame Ausflüge nach Worms, Mainz und Eisenach brachten kath. und ev. Christen auch außerhalb der örtlichen Kirchengebäude zusammen.
Das Züricher Bibelseminar unter der Leitung von Vikarin Karin Böhler, das 1987/88 veranstaltet wurde, war ein großer Gewinn für die Teilnehmer.
Im Juni 1980 konstituierte sich der Ökumenische Arbeitskreis „Bewahrung der Schöpfung“,
und trat mit Veröffentlichungen und Veranstaltungen zu den Themen Müll und Verkehr an die Öffentlichkeit.
1991 wurde anlässlich des Golfkrieges das ökumenische Friedensgebet ins Leben gerufen.
Man traf sich 14-tägig in einem Halbjahr in der Aegidiuskirche und im anderen in der Erlöserkirche. 20-30 Menschen beteiligten sich regelmäßig an den Gebeten, die von Nichttheologen gestaltet und geleitet wurden.
Anmerkung zum Ökumenischen Arbeitskreis (ÖAK)
Der ÖKA war weder in der katholischen Kirchengemeinde noch in der ev. Kirchengemeinde ein Ausschuss oder eine Gruppierung des Ältestenkreises oder des seit 1967 bestehenden Pfarrgemeinderats. In der katholischen Kirche konnten nämlich nur Katholiken in Ausschüssen mitarbeiten. Dennoch berichteten die jeweils Verantwortlichen in den PGR-Sitzungen regelmäßig über ihre Arbeit.

Ökumenische Ausstellungen
Weitere Höhepunkte im ökumenischen Miteinander waren die Nächte der offenen Kirchen und mehrere Ausstellungen, die das Leben und Wirken der Künstler beschrieben und einige ihrer Werke zeigten.
2003 wurde anlässlich des „Jahres der Bibel“, Ernst Barlach vorgestellt, ein deutscher Bildhauer, Schriftsteller und Zeichner. Barlach ist besonders bekannt für seine Holzplastiken und Bronzen. Außerdem hinterließ er ein vielgestaltiges druckgraphisches, zeichnerisches und literarisches Werk. Die Ausstellung fand vom 18. Mai bis zum 1. Juni unter dem Titel „Menschenbilder“ in St. Clara statt.
Vom 14.10.- 1.11. 2011 wurde die Ausstellung „Bilder der Bibel“ von Marc Chagall, einem französischen Maler polnisch-jüdischer Herkunft gezeigt. Für diese Ausstellung verlieh die IG-Seckenheimer Vereine den Verantwortlichen die Auszeichnung „AKTIV für SECKENHEIM“.
Vom 10. Oktober bis zum 3. November 2013 fand die Ausstellung „Eine Tübinger Bibel“ von Sieger Köder, einem deutschen katholischen Priester und Künstler, in St. Aegidius statt.. Köder zählt zu den bekanntesten deutschen Malern christlicher Kunst und Krippenbauern des 20. Jahrhunderts. Er galt als ein kraftvoller und farbgewaltiger „Prediger mit Bildern“.
Alle Ausstellungen wurden von Ehrenamtlichen begleitet, die sich gut vorbereitet hatten und Besuchern weitere Erläuterungen zu der Ausstellung geben konnten. Auch Kinder und Jugendliche wurden, sogar durch aktives Gestalten, gut in die Thematiken eingeführt.
Eröffnet und beschlossen wurden die Ausstellungen regelmäßig mit ökumenischen liturgischen Feiern.

Die Nacht der Kirchen

Die Nacht der Kirchen begann 2008. Die Idee war, die evangelische Kirche, die katholische Kirche und den Ort Seckenheim in diese Nacht einzubeziehen.
Man begann abwechselnd in der evangelischen und in der katholischen Kirche, wobei dann in der Mitte des Weges, am Rathaus, die „Ortsstation“ war. Nach einigen Jahren beschränkte man sich auf jeweils eine Kirche, wobei auch Don Bosco in Suebenheim miteinbezogen war.

Ökumene heute

Kinder- und Jugendtreff
Der Seckenheimer Kindertreff „SeKi-Treff“ für Kinder von 6 bis 11 Jahren hat den früheren „JuKi-Treff“ abgelöst. Es wird gebastelt, gekocht, Ausflüge in die nähere Umgebung werden unternommen. Die Treffen finden monatlich statt. Treffpunkt ist in der Regel das „Kumbajah“ (Jugendheim) in der Stengelstraße.

Kooperation ev. Männerwerk – kath. Bildungswerk
2004 nahm Heinz Wech vom kath. Bildungswerk Kontakt mit Werner Bordne vom ev. Männerverein auf. Seither planen , besprechen und terminieren das kath. Bildungswerk und der ev. Männerverein bei regelmäßigen Treffen die thematischen Vortragsthemen gemeinsam und stimmen das jeweilige Halbjahres-Programm ab, um Überschneidungen zuvor zu kommen.
Die beiden konfessionellen Einrichtungen für die Erwachsenenbildung laden dann stets gemeinsam zu den jeweils eigenen Vorträgen inklusive zu Studienfahrten und Ausstellungen ein.

Der Weltgebetstag der Frauen
In Seckenheim wurden die die katholischen Frauen erstmals 1968 im Aegidiusboten zum
„Weltgebetstag der evangelischen Frauen“ eingeladen. Seit 1972 wird der Weltgebetstag ökumenisch gefeiert. Damals beteiligten sich die Frauen noch unter der Leitung der evangelischen Pfarrer.
1978 stand der Weltgebetstag erstmals in der Gottesdienstordnung von St. Aegidius, aber
erst 1987 wird der Weltgebetstag erstmals, anlässlich seines 100jährigen Bestehens, in der St. Aegidiuskirche gefeiert.
Heute liegt der Weltgebetstag mitsamt der Gestaltung in den Händen der kath. und ev. Frauen und wird auch von Männern regelmäßig besucht, weil hier jedes Jahr eine außergewöhnliche und begeisternde Liturgie gefeiert wird.

Die Rahmenvereinbarung
Diese Rahmenvereinbarung für ökumenische Partnerschaften versteht sich als gemeinsame Verpflichtung zur Zusammenarbeit aufgrund der „Charta Oecumenica - Leitlinien für die Zusammenarbeit der christlichen Kirchen in Europa“. Sie will die ökumenische Zusammenarbeit zwischen Pfarrgemeinden und Pfarreien fördern und stärken und einen dafür verbindlichen Maßstab setzen. Diese Vereinbarung hat keinen kirchenrechtlich gesetzlichen Charakter. Ihre Verbindlichkeit besteht in der Selbstverpflichtung der beteiligten Pfarrgemeinden und Pfarreien, diese Vereinbarung mit Leben zu füllen.
Der ÖAK machte sich sofort an die Arbeit um diese Rahmenvereinbarung auch für Seckenheim abzuschließen.
Bereits am 4. November 2005 wurde die Vereinbarung vom Ev. Oberkirchenrat und der Erzdiözese Freiburg genehmigt. Es war die erste Vereinbarung zwischen zwei Mannheimer Pfarrgemeinden.

Darin enthalten waren:

  • Pfingstmontagsgottesdienst
  • Weltgebetstag der Frauen
  • Gottesdienst beim Straßenfest
  • ökumenische Bibelwochen
    oder eine Themenreihe oder gemeinsames Bibellesen….
  • ökumenischer Familientag
  • Gottesdienste und Seelsorge im Seniorenpflegezentrum ökumenische Gastfreundschaft im Haus für die Erlösergemeinde
  • Kindertagesstätten
  • Seelsorge
  • Senioren
  • gemeinsame Sitzungen der Gremien
  • Gemeindebriefe
  • Ausstellungen z.B. Chagall
  • Besuch zu den Bazargottesdiensten - muss nicht immer und nicht immer gegenseitig sein
  • Kindergottesdienst
  • Tauferinnerung
  • 8. Mai
  • JUKI-Treff
  • ökum. Bildungszentrum St. Clara
  • Bildungsarbeit
  • Gottesdienst beim Siedlerfest
  • Wandertag
  • Schulgottesdienste
  • Friedensgebete
  • Nacht der Kirchen
  • ökum. Hausgebet im Advent
  • Ökum. Friedensgebet

Diese Rahmenvereinbarungen sollen demnächst überarbeitet werden, wenn die neuen Richtlinien für Rahmenvereinbarungen vorliegen.

Kooperation

Auch die Zusammenarbeit der Gemeindeleitungen ist heute durchweg gut. Ein Gottesdienst im Horst Schroff Pflegezentrum ist immer auch, wie Pfarrer Krüger sagt, ein ökumenischer Gottesdienst und bei den Bazars bitten die PfarrerInnen ihre Gemeindemitglieder, den Gottesdienst der Bazargemeinde zu besuchen.

DANK an:
Alfred Heierling: für alle Informationen für „Die Jugend als Vorbereiter der Ökumene“.
Winfried Trinkaus: für die Weitergabe der Kopien der Zeitungsartikel, die der Vater von Pfarrer Karl Heinrich Jung, dem langjährigen Partner von Pfarrer Gerhard Schmutz in Neuostheim, gesammelt hat.
Günter Scheurich, der die Tätigkeitsberichte des Ökumenischen Arbeitskreises bis 2010 gesammelt hat und aus denen ich jede Menge Informationen entnehmen konnte.

Luz 2018