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Seckenheim: Weitere historische Tafel an der Waaghalle enthüllt / Ehemalige Tabakpflanzer dabei
Erinnerung an Tabakanbau
Im Beisein von (von rechts) Erich und Rudolf Karl, Alt-Stadtrat Richard Karl (vorne) und Ehefrau Heiderose Karl enthüllte Ralf Busch, Chef des historischen Vereins (links) die "Wooghallä-Dafel". © hat
Ein ungewöhnliches Gebäude, das als Station örtlichen Wohlstands gelten darf, hat nun "seine" historische Tafel erhalten: die "Wooghall". Hier wird in Text und Bild daran erinnert, dass der Tabakanbau in Seckenheim lange eine bedeutende Rolle spielte. Die neue Tafel ergänzt die Stadtpunktetafel zum Thema Tabakbearbeitung am Heimatmuseum in der Kloppenheimer Straße.
Zahlreiche Gäste, unter ihnen honorige ehemalige Tabakpflanzer, waren zur Enthüllung der "Wooghallä-Dafel" an der ehemaligen Waaghalle gekommen, wo sie Ralf Busch, der Vorsitzende des Fördervereins Historisches Seckenheim, begrüßte - auch im Namen von Heiderose und Richard, Erich und Rudolf Karl. Ihnen dankte Busch, dass sie es materiell ermöglichten, Ortsgeschichte an historischer Stelle anzubringen, und auch bei der Gestaltung Engagement zeigten.
Alt-Stadtrat Richard Karl erinnerte daran, dass die Stadt Mannheim 1930 im Zuge der Eingemeindung das Gebäude geerbt hatte. Bis 2001 sei hier, später dann in der neuen Halle draußen beim Kleintierzuchtverein gewogen worden. 2002 verkaufte die Stadt die Scheune an Heiderose und Richard Karl, die das ungewöhnliche, denkmalgeschützte Gebäude mit seinen vier großen Toren für das jährliche Straßenfest zur Verfügung stellen.
Verein 1933 gegründet
Rudolf Karl, jahrzehntelang Vorsitzender des Tabakbauvereins, erwähnte, dass es 1933 zur Vereinsgründung 204 Pflanzer gab. "1960 waren es genau 115, 1995 noch 28 und heute null", erklärte er. Bruder Erich Karl beleuchtete kurz den Tabakanbau, den später noch ein Dokumentarfilm, der neben dem deftigen Tabakmahl in der Waaghalle gezeigt wurde, erlebbar machte.
Tabak wurde in Seckenheim nachweislich ab 1660 angepflanzt, 1699 ist erstmals eine Tabakwaage erwähnt. 1868 wurde im Rathaus ein entsprechendes Messgerät eingerichtet. An den Wiegetagen überlasteten Tabak-Fuhrwerke die Straßen rund ums Rathaus, so dass die Gemeinde die Bühlersche Scheune samt Groppschen Garten an der heutigen Breisacher bzw. Säckinger Straße erwarb, um dort, abseits der Hauptstraße, in Rathausnähe eine Waaghalle zu haben.
Gewogen wurde der getrocknete, gebündelte Tabak zu vereinbarten Verkaufsterminen. Vor Ort wurden die Qualität bewertet und der Preis verhandelt. Kam keine Einigung zustande, konnte der Bauer den Tabak selbst fermentieren (Fermentierung ist Gärung bei Wärme). Nach Auskühlung und Nachreife wurde der lager- und verpackungsfähige Tabak unter Zollverschluss in eigenen Räumen gestapelt. Zum Verkauf, der oft Jahre später erfolgte, wurden große Tabakpakete zusammengesetzt.
Tabak aus Seckenheim fand sich lange in der seit Ende des 19. Jahrhunderts hergestellten badischen Zigarettenmarke "Roth-Händle". Mit dem Wegfall der Tabak-Subventionen der EU lohnte sich der hiesige Tabakanbau nicht mehr und wurde schließlich beendet. Damit war dann auch die traditionelle Einkunftsquelle der Seckenheimer Bauern endgültig versiegt. hat
© Mannheimer Morgen, Montag, 27.06.2016
Tabak begründete den Wohlstand
Verein „Historisches Seckenheim“ bringt Infotafel an der Waaghalle an
Von links: Ralf Busch wie auch Heiderose, Rudolf und Erich Karl hören Richard Karl zu, der den Gästen vom Leben der Tabakbauern berichtet. Foto: Warlich-Zink
SECKENHEIM. Der Rundgang durch Seckenheim mit interessanten Punkten zur Ortsgeschichte hat eine weitere Station erhalten. Dank Unterstützung durch die Familien Erich, Richard und Rudolf Karl konnte Ralf Busch vom Verein „Historisches Seckenheim“ an der Waaghalle jetzt das nächste Schild enthüllen. Es erinnert an die bedeutende Rolle des Ortes als Tabakbaugemeinde und das Wiegen des getrockneten, gebündelten, noch nicht fermentierten Tabaks. Von 1899 bis 2001 war die Halle in Betrieb.
„Gemeinsam mit Heddesheim war Seckenheim die größte Erzeugergemeinde in Deutschland. Bereits 1660 ist bei uns das Anpflanzen von Tabak nachgewiesen“, erklärte Rudolf Karl den zahlreich erschienenen Gästen. Der langjährige Vorsitzende der Seckenheimer Tabakbauern erinnerte daran, dass im Jahr 1933 noch 204 Pflanzer 222 Hektar Anbaufläche bewirtschaftet hatten. 1995 gab es noch 28 Landwirte, die das Gewächs auf 72 Hektar anbauten. „Heute sind es null“, so Karl. „Seckenheim ist durch den Tabakbau reich geworden“, hatte zuvor sein Bruder Richard erklärt und von den aufregenden Tagen des Tabakwiegens in der Waaghalle berichtet. Es ging schließlich um viel Geld, und bis 2001 wurde das kostbare Gut dort gewogen. Dann entstand eine neue Wiegehalle außerhalb des Ortes, die jedoch kaum ein Jahrzehnt genutzt wurde. Denn mit dem Wegfall der Subventionen aus Brüssel gaben die letzten Tabakbauern ihr einst einträgliches Geschäft auf. Die zum Verkauf stehende alte Waaghalle kauften Heiderose und Richard Karl im Jahr 2002, um das denkmalgeschützte Gebäude zu erhalten und an seine ursprüngliche Nutzung zu erinnern. Das Ehepaar vermietet die Waaghalle ganzjährig an den Sängerbund, der sie einmal im Jahr zum Straßenfest als Festscheune öffnet. pbw
Seckenheim-Rheinau-Nachrichten vom 08.07.2016
Impressionen der Enthüllung: Bilder Förderverein historisches Seckenheim e.V.